ssoc - sights and sounds of the crisis - Prekariat http://ssoc.teachingthecrisis.net/ssoc/en/tags/prekariat en Was heißt hier Krise? http://ssoc.teachingthecrisis.net/ssoc/en/node/148 <div class="field field-name-field-research-body field-type-entityreference field-label-above"><div class="field-label">This blog post is part of the investigation:&nbsp;</div><div class="field-items"><div class="field-item even"><a href="/ssoc/en/node/54">Keep moving - Dancing the Crisis</a></div></div></div><div class="field field-name-body field-type-text-with-summary field-label-hidden"><div class="field-items"><div class="field-item even" property="content:encoded"><p>Seit Beginn unseres Forschungsprojekts "Dancing the Crisis" schwebt die Frage, welche Krise hier eigentlich thematisiert wird, über jedem Schritt der Forschung. Ist Krise einfach als "krisenhafter Zustand" zu verstehen? Sind die Dimensionen von Krise, die wir in unserme Film portraitieren, schlicht Abbilder einer Dauerkrise unter TänzerInnen? Wie sind ihre "krisenhaften Zustände" unter dem Licht der globalen Finanzkrise, oder einer Europakrise zu bewerten? </p> <p>Denn festzuhalten gilt: Die Tänzerinnen, mit denen wir gesprochen haben, sehen ihre Lebensposition nicht als krisenhaft – auch, weil sie praktisch mit der Entscheidung, Tanz zu studieren, wussten, welche Konsequenzen sie damit Zeit ihres Lebens in Kauf nehmen müssen - unsichere Zukunft, extreme körperliche Belastung und Disziplinierung, prekäre Lebensverhältnisse. </p> <p>Die Frage, wie also ihre Reaktionen auf aktuelle Veränderungen durch die Finanz- oder Eurokrise aussehen, muss in diesem Entscheidungskontext verstanden werden. <strong>Fakt ist, die Tänzerinnen setzen ihre aktuelle prekäre Lebenssituation nicht in Zusammenhang mit konkreten wirtschaftlichen Ereignissen oder Veränderungen.</strong></p> <p>Woran liegt das?</p> <p><strong>1. Weil die Krise in Deutschland (noch) nicht angekommen ist?</strong></p> <p>Es scheint immer wieder, dass Deutschland nicht im selben Maße wie andere europäische Staaten von den Effekten der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen ist. Im Gegenteil, laut statistischem Bundesamt sind die Deutschen im Jahr 2012 so wohlhabend wie noch nie. Gleichzeitig sind die Reallöhne der Deutschen in den letzten Jahrzehnten ohne Ausnahme stetig gesunken. Es kommt also auf den Kontext an, unter dem die Effekte von Finanzkrise analysiert werden. Es stimmt, Deutschland wurde nicht so plötzlich von einer alles umstürzenden, finanziellen Krise getroffen wie beispielsweise Griechenland. Es gab keinen konkreten Tag, an dem „die Krise“ begann. Auch deshalb gab es keinen Moment, an dem sich ein kollektives Aufbegehren gegen ein stets regulierendes Regime, die stetige Privatisierung von öffentlichem Eigentum gebildet hätte. Aber in jedem individuellen Alltag sind Lebenspraxen erkennbar, die auf die Krise reagieren. Die Krisenphänomene, die jede/r in seinem/ihrem Alltag spürt, verstärken sich im Kontext einer Staatshaushaltskrise wechselseitig.</p> <p>Effekte einer stetig praktizierten Austeritätspolitik und Verschuldungspolitik sind in Deutschland nicht plötzlich eingetreten, sondern schleichend. Somit verlagert sie der Umgang mit Formen der Krise auf die individuelle Lebenswelt anstatt auf ein kollektives Aufbegehren.</p> <p><strong>2. Weil sie die Krise auf einer individuellen Ebene erleiden, anstatt aufzubegehren?</strong></p> <p>Weil sie denken, sie seien selbst für die prekären Verhältnisse verantwortlich, weil sie sich dazu entschlossen haben, den Weg eines Tänzers zu gehen? Weil Künstler und Tänzer schon immer prekäre Lebenssituationen hatten und sich das auch nie ändern wird?</p> <p>Es ist erstaunlich, wie umfassend sich die Tänzerinnen in unserer Forschung auf ihre komplizierte Lebenssituation einstellen. Wie sie sich disziplinieren, ihr Leben und ihren Körper zu organisieren. Sie klagen nicht, sie fragen nicht: Warum sind die Bedingungen so schlecht? Warum gibt es keine Arbeitsverträge für uns? Warum müssen wir so oft umsonst arbeiten? Warum gibt es kaum soziale Absicherung für uns?</p> <p>Stattdessen richten sie sich mit einer Fülle von Nebenjobs, Sprachproblemen und teils schwierigen Wohnverhältnissen auf ihre Situation ein.</p> <p><strong>3. Weil sie ihre Arbeit lieben?</strong></p> <p>Weil sie eine Arbeit leisten, deren Wert nicht genug honoriert wird? Weil unterstellt wird, dass Tänzer ihre Arbeit „zum Spaß“ machen und auch unentgeltlich arbeiten wollen. Der Wert tänzerischer Arbeit ist, wie der künstlerisch-kultureller im Allgemeinen, viel zu niedrig bemessen. – Weil kein direkter Nutzen für die Gesellschaft zum Tragen kommt? In wirtschaftlich schwachen Zeiten wird an Kultur zuerst gespart. (Zuschüsse vom Senat in Berlin für Kultur!! - Fragen)</p> <p><strong>4. Weil sie keinen Vergleich haben?</strong></p> <p>Die drei Tänzerinnen sind zwischen 23 und 28 Jahre alt und kommen nicht aus Deutschland. Sie arbeiten als freie Tänzerinnen, aber erst seit zwei bis drei Jahren. Somit können sie sowohl Veränderungen in Berlin als auch Veränderungen in der weltweiten Tanzszene nicht anhand ihrer eigenen Erfahrung einschätzen. Ihre Äußerungen zeigen insofern ein Abbild aktueller Befindlichkeiten in der Berliner Tanzszene.</p> </div></div></div><div class="field field-name-field-tags field-type-taxonomy-term-reference field-label-above"><div class="field-label">Tags:&nbsp;</div><div class="field-items"><div class="field-item even"><a href="/ssoc/en/tags/krise" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Krise</a></div><div class="field-item odd"><a href="/ssoc/en/tags/dauerkrise" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Dauerkrise</a></div><div class="field-item even"><a href="/ssoc/en/tags/prekariat" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Prekariat</a></div><div class="field-item odd"><a href="/ssoc/en/tags/t%C3%A4nzerinnen" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Tänzerinnen</a></div><div class="field-item even"><a href="/ssoc/en/tags/tanz" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Tanz</a></div><div class="field-item odd"><a href="/ssoc/en/tags/arbeit" typeof="skos:Concept" property="rdfs:label skos:prefLabel">Arbeit</a></div></div></div><div class="view view-medialist view-id-medialist view-display-id-entity_view_1 view-dom-id-1b9f4284aa8e14312933736e6273ed34"> <div class="view-content"> <table class="views-view-grid cols-2"> <tbody> <tr class="row-1 row-first row-last"> <td class="col-1 col-first"> <div class="views-field views-field-field-media-video"> <div class="field-content"><div class="mediaelement-video"><video src="http://ssoc.teachingthecrisis.net/ssoc/sites/default/files/Anna.mp4" class="mediaelement-formatter-identifier-1447669143-0" controls="controls" height="385" width="680" ></video></div></div> </div> </td> </tr> </tbody> </table> </div> </div> Sun, 11 Nov 2012 19:09:44 +0000 Caroline Schaper 148 at http://ssoc.teachingthecrisis.net/ssoc http://ssoc.teachingthecrisis.net/ssoc/en/node/148#comments