This blog post is part of the investigation:
Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit wir uns die Frage nach dem Gesicht und dem Klang der Krise erstmals stellten. Im Laufe unseres Forschungsprojekts "Keep Moving - Dancing the Crisis" sind wir der Krise immer wieder begegnet - und immer wieder haben wir um Definitionen, Erscheinungsbilder und Ursachen der Krise gerungen. Entstanden sind ein dokumentarischer Kurzfilm und zwei abschließende Berichte in Form von Methoden- und Mediumsreflexionen.
Die Eckpunkte unseres Forschungsprojekts seien hier noch einmal zusammengefasst. Sie dienten und dienen uns als Anregung, Auslöser und ständiger Begleiter unserer Arbeit.
1. Krise und Kreativität
In Krisen können bestehende Handlungsmöglichkeiten nicht mehr fortgesetzt werden und zugleich führen sie zu gravierenden Wendungen im Alltag.
Kreativität dagegen weist auf einen Prozess hin, in dem sich erlebte Bedeutungen ändern. In unserem Projekt begegnete
uns Kreativität als Kritik an der existierenden Situation der Krise und als Suche nach einer besseren Lösung.
Uns interessierte, auf welche Weise „Krise“ in den Alltagen von Tänzerinnen auftaucht und wie sie sich übersetzt. Wir wollten untersuchen, inwiefern „Krise“ einen kreativen Prozess in Gang setzt, wir wollten diesen Prozess wahrnehmbar machen.
Im Zentrum unserer Forschung stehen mehrere Aspekte: Wie leben und arbeiten Tänzerinnen und wie werden sie kreativ in der Krise? Wie sieht ihr Alltag aus? Wie setzen sie Krisenphänomene, -erfahrungen oder -wissen in Tanz um? Gibt es eine Performance der Krise?
2. Tanz und Gesellschaft
Gesellschaftliche Transformationen spiegeln sich immer auch im Tanz ihrer Zeit wider. Der Alltag des/der Tänzers/-in ist eine endlose Erfahrung von Prekariat, Körperarbeit und Selbstreflexion. Bewegung als Beruf. Der Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeit liegt in der Annahme, dass „thinking through dance“ (Randy Martin 2011: 31) das Potenzial hat, komplexe politische und/oder ökonomische Zusammenhänge anders darzustellen und erfahrbar zu machen, als wissenschaftspolitische Diskurse es vermögen. Wir gehen davon aus, dass Tanz mithilfe seiner körperlichen Präsenz, seiner Flüchtigkeit und aktuellen Energie eine Art erfahrbares Wissen produziert, das sich jenseits von rationalem Wissen befindet.
Tanz erhält seine Einflusskraft auf gesellschaftliche Prozesse nicht, indem er schon bestehende Strukturen repräsentiert, sondern indem er Alternativen anbietet, Utopien, die mit Hilfe des Körpers und durch die Organisation von Bewegung entstehen.
3. Der Film
Wir spüren in unserem dokumentarischen Kurzfilm „Dancing the Crisis“ (Trailer folgt bald hier) den Arbeitswelten dreier zeitgenössischer Tänzerinnen in Berlin nach.
Karla, Sarah und Anna müssen sich den Bedingungen ihres prekären Berufs beugen: Ihre Leben sind geprägt von starker Disziplin, hochgradiger Organisation und einer bis aufs äußerste gelebten Mobilität. Statt sich davon einschüchtern zu lassen, übersetzen sie ihre Empfindungen in Performances und tanzen die Krise. Ihre Tänze eröffnen einen Raum, der sich jeglicher Rationalität entsagt und auf die Kraft des Fühlens setzt.
4. Der Forschungsbericht
Eine Reflexion des Projektes beinhaltet eine Analyse des Arbeitsprozesses, der Forschungsmethoden, der Probleme und des Potenzials der filmischen Ethnografie.
Wie Ausschnitte aus dem Forschungstagebuch von Caroline Schaper zeigen, glich unser Projekt mehr einer Suche nach der Krise als der Antwort darauf, was „Krise“ eigentlich genau ist.